Licht ins Dunkle bringen
Ausstellungseröffnung und Vortrag „Das Semi zur Zeit des Nationalsozialismus“ lockten zahlreiche Besucher ans Schlossgymnasium
Mit einem Vortrag zur Schulgeschichte von 1939 bis 1945 wurde am Dienstagabend, 18. April, die Ausstellung „Das Semi zur Zeit des Nationalsozialismus“ am Schlossgymnasium Künzelsau eröffnet. Dabei erhielten die Anwesenden anhand von anschaulichen Bild- und Schriftquellen tiefgehende Einblicke in den Schulalltag am Künzelsauer Schloss. Vor und nach dem Vortrag gab es Gelegenheit, einen ersten Blick in die Ausstellung zu werfen.
Knapp über 100 Personen fanden sich ein, um den Vortrag des Geschichtslehrers Steffen Deibel zu verfolgen. Bereits das Vorwort von Schulleiter Johannes Smolka zeigte die Richtung auf, in die Vortrag und Ausstellung gehen: Zentrales Anliegen sei es, „Licht auf ein dunkles Kapitel der Schulgeschichte zu werfen und sich der eigenen Geschichte zu stellen. Nicht weil wir müssen, sondern weil wir daraus Lehren ziehen wollen.“
Herr Deibel begann seine Darstellung des Schulalltags mit einem Überblick zur Quellenlage. Aus den Jahren 1939 bis 1945 seien nur ein Bruchteil der Schulunterlagen erhalten geblieben. Neben Rundbriefen und Schriftstücken des damaligen Schulleiters Dr. Schütz liegen von drei ehemaligen Schülern nachträgliche, authentische Schilderungen des Lebens an der „Aufbauschule Künzelsau“ (ASK) vor; erst kürzlich kam der Nachlass eines vierten Schülers mit Originalschriftstücken hinzu.
Diese Personen und ihre Zitate leiteten die Zuhörer durch die 75 Minuten des Vortrags und sorgten für authentische und vielschichtige Einblicke in den Unterrichtsalltag, die autoritär und militärisch geführte Schulgemeinschaft und in das vom Krieg beeinflusste Schulleben. Zunächst wurde anhand von Fotografien über das Schulgelände und durch die Räumlichkeiten, in denen insgesamt bis zur 150 Schüler lebten und lernten, geführt und die Lebensbedingungen der „Jungmannen“, so wurden die Schüler bezeichnet, beschrieben. Dass der Tagesablauf und das Leben der „Jungmannen“ von militärischen Drill und der Erwartung zu absolutem Gehorsam geprägt war, wurde etwa bei der Erläuterung zum mittäglichen Appell im Innenhof des Schlosses oder bei der Erzählung eines durchaus rigoros erscheinenden Schulausschusses deutlich. Sport und außerschulische Aktivitäten spielten eine große Rolle im damaligen Schulleben; ebenso waren Schikanierungen durch ältere Schüler oder Bloßstellungen durch Lehrer– so geschildert vom Schüler Franz Wick – an der Tagesordnung.
In den späteren Kriegsjahren stieg die Zahl der Gedenkfeiern an gefallene Lehrer und Schüler, während immer jüngere Schüler der ASK einberufen wurden und an verschiedenen Fronten in ganz Europa fielen. Steffen Deibel zeichnete dabei ein deutliches Bild „der Semis als Täter und Opfer“.
Darüber hinaus wurden die Einschränkungen und Schwierigkeiten der letzten Kriegsmonate für die Schule betrachtet: tagelanges Aushaaren im Bombenschutzkeller, mangelnde Lebensmittel, Kohleknappheit. Der Vortrag endete mit einer ambivalenten Einschätzung zur Person des Schulleiters Dr. Schütz. Diese sei einerseits für seine Brutalität und seinen stark autoritären und militärischen Erziehungsstil bekannt gewesen, verbreitete allerdings keine NS-Ideologie, wie z. B. den Antisemitismus. Zudem ist er vielen Künzelsauer Bürgern vor allem als „Retter von Künzelsau“ in Erinnerung geblieben, als er in den letzten Kriegstagen durch Verhandlungsgeschick die amerikanische Bombardierung der Stadt verhindern konnte.
Der Vortrag umspannte somit viele Themen der Schulgeschichte von 1939 – 45, die sich ähnlich, jedoch auch ergänzt durch weitere in der Ausstellung im Schloss wiederfinden. Aufgrund des diesjährigen 150-jährigen Schuljubiläums, in dessen Rahmen auch eine Festschrift erschien, habe, so Schulleiter Johannes Smolka, er „im letzten Schuljahr mehr über die Schulgeschichte gelernt, als in den 18 Jahren an der Schule zuvor“. Ähnlich wird es auch vielen Anwesenden gegangen sein, die im Vortrag und in der Ausstellung bekannte und neue Einblicke in dieses „dunkle Kapitel“ erhielten.
Die Ausstellung „Das Semi zur Zeit des Nationalsozialismus“ ist bis zu den Sommerferien an Schultagen von 8 bis 16 Uhr geöffnet und für jeden zugänglich (Raum S1, Haupteingang erster Raum rechts). Ferner widmet sich eine Ausstellung im Stadtmuseum unter dem Titel „Akademie im Eulenkräut – 150 Jahre Seminar Künzelsau“ der Schulgeschichte in den Jahren davor.